Kultur als Alleinstellungsmerkmal für die Immobilie
Teil 1: Gespräch mit Geschäftsführer Werner Eckart, Betreiber der Kultfabrik in München
Die Kultfabrik in München ist auch außerhalb der Region wohlbekannt. Im ehemaligen Werksgelände der PFANNI-Werke sind Werbeagenturen und Diskotheken, Galerien und Künstler eingemietet. Werbeagenturen und Künstlerateliers im selben Objekt? Wie kann man trotz der Künstler als Vermieter Geld verdienen? „Nicht trotz, sondern gerade wegen der Künstler,“ sagt uns Werner Eckart. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer der Otto Eckart GmbH & Co OTEC KG, die als Nachfolgerin von PFANNI heute Eigentümerin des umfangreichen Geländes direkt am Münchner Ostbahnhof ist.
Herr Eckart, beschreiben Sie doch bitte zuerst die Kultfabrik.
Vor allem in der Region München ist die Kultfabrik für das Nachtleben bekannt. Diskotheken, Bars und Restaurants ziehen die Nachtschwärmer an. Doch was nicht so offensichtlich ist: Die Gastronomie belegt nur 8% der vermietbaren Flächen. Tagsüber sind die Aktivitäten um einiges umfangreicher. Etwa 1700 Menschen wie Anwälte und Architekten, Händler und Künstler arbeiten hier in dem 90.000 Quadratmeter großen Areal. Deshalb ist es nicht nur ein Freizeit-, sondern gerade auch ein Gewerbeobjekt.
Wie kam es zu diesem Projekt „Kultfabrik“?
Die PFANNI-Werke haben das Gelände 1996 verlassen und ihre Produktion nach Mecklenburg-Vorpommern verlagert. Nun hatten wir also direkt am Münchner Ost-Bahnhof ein komplettes Fabrikgelände, doch die Hallen standen leer. Die Münchner Unternehmer Wolfgang Nöth und Gabriele Scheffel pachteten das Objekt und gründeten den „Kunstpark Ost“. Bereits dieses überregional bekannte Projekt beherbergte Diskotheken, Clubs, Bars, Restaurants, Künstlerateliers, Konzertbühnen, Flohmärkte und vieles mehr. Die ursprünglich auf drei Jahre ausgelegte Zwischennutzung wurde 1999 für drei weitere Jahre verlängert.
Obwohl das Nachtleben monatlich bis zu 100.000 Vergnügungswillige anzog, profitierten gerade die Künstler vom Kunstpark Ost. Sie bauten sich die offensichtlich gebrauchten Gebäude selber aus, bezahlten dafür aber auch nur eine geringen Miete. Als wir das Objekt 2003 übernahmen, waren die Künstler also schon da.
Und durften bleiben. Warum?
Wie Szeneviertel entstehen, wachsen und auch wieder untergehen, das konnte ich z.B. in Manhatten beobachten. Am Anfang sind die abgewirtschafteten Gebäude, und Künstler ziehen ein. Wenig Komfort, aber eben auch wenig Miete. Dann kommen die Studenten, später die Cafés. Spätestens, wenn die Agenturen einziehen, wird umfangreich saniert und die Preise steigen. Es kommen also nur noch Unternehmen, die sich diese Mieten leisten können. Die Künstler müssen dann ausziehen. Und das Ergebnis ist ein langweiliges kommerzielles Viertel. Diese Entwicklung wollten wir im richtigen Moment einfrieren. Das Abwandern der Künstler, also derer, die den Flair des Viertels prägen, wollten wir unbedingt auch in Zukunft verhindern.
Aber wie verdient man als Vermieter damit Geld?
Wir betreiben ein differenziertes Mietmodell: Wir unterstützen gezielt Künstler, die ganz wesentlich für das Image des Objekts sorgen, so dass auch die „Vollzahler“ wie die Cafés, Restaurants, Bars, der Handel, aber auch in Zukunft die Hotels, Fitnessstudios etc. davon profitieren. Bisher in den alten Gebäuden haben die Mieter einfach eine geringe Miete bezahlt.
In Zukunft werden wir sanierte Gebäude haben und eine ganz andere Kostenstruktur. Wir müssen das so regeln, dass unsere Kalkulationen aufgehen und diese subventionierten Künstlerräume auch für die Zukunft gesichert sind.
Derzeit arbeiten wir an einem Konzept, dass wir zu einem auf einen Teil der Miete verzichten und zusätzlich Sponsoren und Spender gewinnen können, um die Differenz zu finanzieren. Keiner der geförderten Künstler zahlt so in den sanierten Räumen mehr als neun Euro netto kalt, manche sogar weniger.
Welche Künstler können diese Förderung nutzen?
Wir unterstützen Künstler aus der Bildenden Kunst sowie Tonkünstler. Die Förderung bezieht sich derzeit auf unsere Mieter, also konkrete Personen. Doch wenn ein Künstler auszieht (was bisher noch nicht passiert ist), dann würde die Förderung dem ausgewählten Nachmieter zu Verfügung stehen. Voraussetzung ist es allerdings, dass es sich um einen schaffenden Künstler handelt.
Nun wird das Objekt schrittweise saniert.
Ja, und das bringt für einige unserer Mieter leider auch einige Umstände mit sich. Sie müssen aus den unsanierten Räumlichkeiten ausziehen, nutzen innerhalb des Geländes eine Zwischenlösung und beziehen dann die frisch sanierten Räumlichkeiten. Teilweise müssen sie während des Prozesses sogar mehrfach umziehen. Doch dank unseres Mietmodells haben wir bisher wenige unserer Künstler als Mieter verloren. Auch darauf sind wir sehr stolz.
Wie stehen die kommunalen und Landesbehörden zu diesem Projekt?
Die Ämter, die sich mit Bau beschäftigen, haben unser Konzept verstanden und wohlwollend begleitet. So ein selbständig gewachsenes kreatives Quartier ohne große öffentliche Zuwendungen ist natürlich für die Öffentliche Hand ein Segen.
Meine Hoffnung ist, dass wir trotzdem in Zukunft mehr gefördert werden, damit wir im Künstlerbereich weiter wachsen können.
Wir hoffen so auch in Zukunft in unserer Kunstaustellungshalle „whiteBOX“ z.B. unsere „all about…“-Reihe ausstellen zu können. Diese Ausstellungsreihe ist wie ein „Schlüsselloch“ in die Künste anderer Regionen. Selbst Korea war schon da, aber eben auch Leipzig.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit den Banken?
Menschlich waren sie von unserem Projekt durchweg begeistert, aber fachlich zählen nur die Zahlen. Unser Mietkonzept ist eben erst einmal ein leeres Versprechen, gerade angesichts unseres langen Planungszeitraums. Für eine Bank sind die kommenden zehn Jahre wichtig, für unsere Planungen eher die kommenden dreißig. Wir haben allerdings das Glück, dass wir für das Grundstück selbst keine Rendite berechnen müssen. Das machte es für uns einfacher.
Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Vor allem wird die Sanierung des Objekts fortgeführt, denn wir sehen, dass unser Gesamtkonzept angenommen wird. Viele Mieter aus den bisher unsanierten Räumlichkeiten konnten wir halten, für Neumieter hat das Gesamtobjekt an Attraktivität gewonnen. Bald zieht hier z.B. der Kunstausstatter Boesner in große Räume, bisher hatte er „nur“ ein 6000 Quadratmeter großes Objekt vor den Toren Münchens. Das freut natürlich unsere Künstler und schafft ein weiteres Highlight im Objekt.
Außerdem wollen wir nun verstärkt die Übungsräume der Tonkünstler angehen. Derzeit müssen manche Musiker mit sechs Übungsraumcontainern Vorlieb nehmen. Der Bereich Tonkunst wird – leider auch von uns – schnell übersehen, da er als Ganzes kommerziell recht erfolgreich ist. Und da sich mehrere Bands einen Raum teilen können, ist hier die Notwendigkeit unserer Subvention nicht so stark ausgeprägt. Für den Tonbereich suchen wir noch nach Beispielen für eine professionelle Umsetzung.
Da kann ich helfen: Volume11 betreibt hier in Dresden genau das, was Sie planen.
Was ich auf dieser Homepage sehe, wirkt doch gut. Ja, wahrscheinlich ist es genau so, wie wir uns das vorstellen. Interessant.
Was können Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben?
Wir „opfern“ für die Künstler ein paar Flächen, generieren so mit ihnen geringere Mieteinahmen, können dafür aber dank des durch die Kunst geförderten Flairs langfristig eine höhere Auslastung des Restobjekts erreichen. Das funktioniert. Wir haben trotz nicht sehr ausgeprägtem Komforts kaum Leerstand. Unser Engagement ist unser Alleinstellungsmerkmal und sorgt dafür, dass das Gesamtobjekt Gewinne abwirft. Wir sind ja schließlich ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen. Auf diese Weise bekommt man jedoch langfristig mehr zurück, als man am Anfang mit dem Verzicht auf einen Teil der möglichen Mieteinnahmen investiert hat.
Und natürlich muss man das Rad nicht immer neu erfinden, sondern sollte auch schauen, wie andere das machen. So haben wir uns aus der Leipziger Baumwollspinnerei die Idee mitgebracht, eine Stelle zu schaffen, die sich nur um die Kunst kümmert. Einen Tag des offenen Ateliers wollen wir nun auch durchführen, denn eine bessere Imagepflege ist kaum denkbar.
Ein schönes Wort zum Schluss. Vielen Dank für das angenehme Gespräch.
PS.: Dieses Interview führte ich im März 2015 für Wir gestalten Dresden, den Branchenverband der Dresdner Kultur und Kreativwirtschaft. Dazu gehört auch das Interview mit Loomit: „Ich bin froh, dabei zu sein“.
Grafik: Werksviertel München – Werk 3