Ich bin froh, dabei zu sein: Kultur als Alleinstellungsmerkmal für die Immobilie
Teil 2: Loomit, Graffitikünstler und Mieter in der der Kultfabrik in München
Loomit ist einer der Künstler, der sein Atelier in der Kultfabrik betreibt. 1983 sprühte er im zarten Alter von 15 Jahren sein erstes Graffiti, was noch ein Gerichtsverfahren zur Folge hatte. Seit 1989 kann Loomit von seiner – nun natürlich gesetzeskonformen –künstlerischen Arbeit leben. Doch heute ist er nicht nur beim Finanz-, sondern auch bei den Bauämtern der Kommunen ein gern gesehener Gast. In deren Auftrag gestaltete und gestaltet er in München und den umliegenden Gemeinden zahlreiche Fassaden und Unterführungen. Außerdem gibt Loomit Kurse für Schüler. Seine Aufträge führen ihn seit vielen Jahren nicht nur durch München, sondern in die ganze Welt. Dabei arbeitet er oft und gern mit anderen Künstlern wie DAIM zusammen.
Wie kam es, dass Du heute in der Kultfabrik arbeitest?
Loomit: Alles begann 1996 mit Wolfgang Nöth. Statt einer Bezahlung für einen Auftrag bekam ich Mietfreiheit für Räume im Kunstpark Ost, den Nöth gerade gegründet hatte. Diese 200 Quadratmeter konnte ich untervermieten. Ein Kurierservice, eine Schneiderin und ihr Freund, ein Schreiner, nutzen zusammen mit mir diese Räumlichkeiten. Auf diese Weise hatte ich Einnahmen aus der Untervermietung und ein eigenes Lager für Sprühdosen und alle anderen Arbeitsutensilien. Als meine Untermieter dann auszogen, richtete ich mir mein Büro ein. Dort zeichnete ich, scannte und verschickte die Entwürfe.
Der Kunstpark Ost war für mich ideal. Zwar bekam ich Aufträge von anderen Mietern auf dem Gelände, doch vor allem gab es jede Menge freie Flächen, die gestaltet werden wollten. Immerhin sollte es eigentlich nur eine Zwischennutzung über einen Zeitraum von drei Jahren sein. Das bedeutete künstlerische Freiheit pur.
Wie ging es weiter?
Loomit: 2002 wurde Nöths Kunstpark Ost aufgelöst, zahlreiche Veränderungen standen an. Einige Mieter zogen weg, der Flohmarkt verschwand. Dadurch verlor ich einige Aufträge. Und ich wusste natürlich nicht, was mich nun erwarten würde. Doch als ich Werner Eckart, den heutigen Betreiber der Kultfabrik, kennenlernte, waren wir uns schnell einig. Der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt mit dem Herzen am rechten Fleck. Eins der ersten Projekte war zum Beispiel die Farbgestaltung der hässlichen Mülltonnenanlagen, auch im Innenbereich konnte ich nun tätig werden.
Wie schätzt Du das Projekt „Kultfabrik“ eigentlich ein? Das Interview mit Werner Eckart hast Du ja gelesen.
Loomit: Es ist wichtig, das Ganze unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten, denn genau das ist es: eine wirtschaftliche Unternehmung. Umso höher muss man das Engagement schätzen, die Künstler aus der eigenen Schatulle zu unterstützen. Ich bin froh, dabei zu sein. Werner Eckarts Engagement kommt in seinem Interview eigentlich noch zu kurz.
Zum anderen ist das hier eine eingeschworene Gemeinde. Man quatscht, man inspiriert sich, man hilft sich. Zu den anderen Gewerken sind es kurze Wege, dank der engen Vernetzung sind viele Probleme schnell gelöst, teilweise auch auf unorthodoxe Weise. Meine Nachbarn von der WerkBox3, das sind echte Schrauber am gebrauchten Rad, haben mir zum Beispiel mein Lastenfahrrad zusammengebastelt. Und bei der Zwischendecke im neuen Atelier werden die Stahlbauer von um die Ecke tätig werden.
Bald steht Dein Umzug innerhalb des Objekts an. Wird das aufwendig sein?
Loomit: Überhaupt nicht. Ich kann ja fast mit dem Leiterwagen umziehen. Und ich habe das Glück, dass mein altes Domizil das letzte sein wird, welches umgebaut wird. Deshalb kann ich aus den alten Räumlichkeiten direkt in die neuen umziehen, ganz ohne Zwischenlösung. Außerdem – und das wiegt alle Mühen auf – wird sich mein neues Atelier direkt über dem Laden von Boesner befinden. Für diese Lage würden andere Künstler töten. Ich kann dann quasi im Bademantel meine Farben kaufen gehen. (lacht) Und muss nicht mal die Treppen nehmen, es gibt ja einen Aufzug. Aber den enormen finanziellen Mehraufwand, der durch diese nahe Versuchung entsteht, muss ich dem Eckart natürlich von der Miete abziehen. (Hier wird Werner Eckart lachen, wenn er das liest.)
Was wird sich für Dich ändern?
Loomit: Na ja, auch in den neuen Räumen werde ich weiterhin meine Aufträge vorbereiten, ab und zu auch eine Leinwand gestalten. Aber ich kann mir dann ein „Klassenzimmer“ einrichten, in dem ich die Kurse durchführen werde. Und nach der Theorie kann ich mit den Schülern rausgehen und die vielen freien Wände nutzen. Also alles wie bisher, nur besser.
PS.: Dieses Interview führte ich im März 2015 für Wir gestalten Dresden, den Branchenverband der Dresdner Kultur und Kreativwirtschaft. Dazu gehört auch das Interview mit Herrn Eckart: „Kultur als Alleinstellungsmerkmal für die Immobilie“. Loomit war übrigens auch aktiv an der Produktion des Dresden Hip-Hop-Magazins BOOMY beteiligt.
Foto: Klaus Heidemann, Loomit auf dem Gerüst der Martin-Luther-Kirche in Dresden